Samstag, 24. Juni 2017

Was bedeutet eine Meinung schon?

Keine Ahnung. Seitdem ich im Internet unterwegs bin, hat sich meine komplette Vorstellung vom Meinungsaustausch und von Diskussionen so sehr verzerrt, dass ich nicht mehr weiß, wann ich recht habe, wann etwas unterschiedliche Geschmäcker sind oder wann ich falsch liege. Und ich glaube, Twitter ist mein größtes Problem dabei. Auf keiner anderen Social Media Plattform verbringe ich so viel Zeit wie Twitter - Twitter ist immer da. Und da teile ich nun mal gerne meine Meinung mit, weil dafür ist es ja auch da. Aber 140 Zeichen pro Nachricht sind wohl nicht unbedingt die beste Diskussionsgrundlage, was? Es passiert einfach viel zu häufig bzw. jedes Mal, wenn ich etwas tweete, dass alle anderen anderer Meinung sind. Auch wenn ich meine Ansicht versuche ausführlich zu begründen, kommen Nachtritte ohne Ende - denke ich. Ich habe keine Ahnung, wann meine Botschaft ankam oder nicht. Ich habe keine Ahnung, wann jemand versucht, mir einfach nur seine Meinung mitzuteilen oder einfach meine Ansicht in den Boden zu treten. Ich verstehe das alles nicht.

Früher in der Schule hatte ich zwei Jahre lang Diskussionsunterricht - Ja, das war ein Fach bei uns. Und ich habe mich immer aktiv beteiligt, fleißig 1er Noten bekommen, andere Meinungen anhören und akzeptieren können, meine Meinung ausführlich darlegen können, sodass andere mich verstanden und das auch zum Ausdruck brachten, sowie ich zum Ausdruck brachte, wann eine Meinung bei mir ankam. Aber heute scheint das alles wie verschwunden und ich weiß nicht, ob das an mir oder meinem Umfeld liegt. Ich kann andere irgendwie nicht mehr beurteilen. Wann reden andere einfach nur Dünnpfiff? Wann reden sie ziemlich cleveres Zeug? Wann haben wir einfach nur unterschiedliche Geschmäcker? Was ist objektiv und subjektiv in dieser Welt? Wie soll ich mich überhaupt noch verständigen können, wenn ich die Grundlagen der Diskussion in dieser heutigen Zeit einfach nicht mehr verstehe?

Dabei ist auch gravierend, dass ich mich selbst nicht mehr beurteilen kann. Ich habe völlig den Sinn dafür verloren, wann ich selbst einfach nur Dünnpfiff rede und vielleicht einfach nur mal mit offenem Ohr zuhören sollte. Zugegeben, ich bin ein wenig stur (bei manchen Themen auch etwas sehr dolle), aber ich versuche, das so gut wie möglich zu unterdrücken, um andere Meinungen zu hören. Ich habe bei Diskussionen heutzutage einfach nur noch Angst, dass ich jemanden verärgere, weil das würde ich niemals wollen. Eigentlich hasse ich ja Menschen, aber ich liebe sie auch. Und ich liebe es, mich mit ihnen zu verständigen oder sie einfach nur dabei zu beobachten, wie sich andere gut verständigen. Freude finde ich gut. Wenn zwei sich darüber austauschen, wenn sie etwas nicht mögen, finde ich das auch gut. Aber ich habe einfach nur noch Angst, wenn es zu unterschiedlichen Meinungen kommt. Ich will doch, dass mich jeder mag. Ja, das klingt, als würde ich nur nach Aufmerksamkeit buhlen und ja: Das verdammt nochmal tue ich auch. Manchmal hätte ich nämlich einfach nur gerne Bestätigung. Doch irgendwie kommt's dazu nie, da ich stets eine andere Meinung als andere habe. Wenn es dann mal ausnahmsweise so weit kommt, dass jemand meiner Meinung ist, dann fällt mir ein riesengroßer Stein vom Herzen, weil ich ja doch nicht so verkorkst scheine. Das hat jedoch auch noch eine weitere Folge, mein Buhlen nach Bestätigung, und zwar passe ich mich mittlerweile regelmäßig anderen Meinungen einfach an, auch wenn sie nicht meine eigene ist. Wie gesagt, ich will mich mit anderen verstehen und ich will auf keinen Fall einen Streit auslösen. Ich weiß nur nicht, wann etwas ein Streit ist oder eine Diskussion. Gerade auf Twitter wirkt alles so auf den Punkt gebracht, dass ich viele Formulierungen eigentlich ziemlich aggressiv finde, auch wenn ich eigentlich weiß, dass sie um Längen nicht so gemeint sind. Diskussionen sind komisch. Ich auch.

1 Kommentar:

  1. Die Frage, die man sich bei dieser Diskussion stellen muss, ist: von wem man eigentlich verstanden werden will? Optimalerweise versteht natürlich jeder andere Mensch die eigene Meinung und gibt höchstens sachliches und vernünftiges Feedback. Ist das jedoch, also das man von allen verstanden wird, überhaupt möglich? Ich glaube nicht.

    Und deswegen gibt es solche Zusammenschlüsse, genannt Communitys, wo Leute zusammenkommen, die sich zumindest über ein paar Sachen einig sind, wie beispielsweise, dass alle Communitymitglieder Anime mögen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es in solchen Communitys nicht auch zu Meinungsverschiedenheiten kommen kann. Deswegen kann man noch einen Schritt weiter gehen und sich einer Subcommunity anschließen bzw. sich nur mit Leuten verbinden, die z.B. ein bestimmtes Animegenre über alles lieben. Und das kann man immer so weiterführen und ja ich beschreibe hier gerade eine Filterblase.

    Aber ist es schlimm, in einer solcher zu leben? Also in einer Echokammer in der man nur die eigene Meinung bestätigt bekommt und diese irgendwann als objektiv wahrnimmt und die da draußen bzw. die anderen Filterblasen nicht mehr bemerkt. Ja, in dieser extremen Form wahrscheinlich schon, aber wir sollten uns auch nicht einbilden, dass wir stärker seien, als wir eigentlich sind. Ich habe ehrlich gesagt keine Lust jeden Tag mich dafür rechtfertigen zu müssen ein Anime Fan zu sein oder zu erklären, wieso Anime nicht nur für Kinder gemacht wird. Sich also eine gewisse Blase aufzubauen ist okay und nur menschlich und auch empfehlenswert, damit man weiter kommt. Ich habe wenig davon, wenn ich das gleiche Gespräch („Anime ist was für Kinder“) immer wieder führen muss. Viel produktiver ist es nämlich Gespräche mit Leuten zu führen, die zumindest grundlegend mit einem übereinstimmen („Animes sind cool“) und wenn man dann auf unterschiedliche Meinungen stößt, kann man Diskussionen führen, die einen wirklich weiterbringen, da sie Punkte enthalten, die man noch nicht schon tausend mal gehört hat.

    Manchmal braucht es aber auch, bezogen jetzt auf persönliche Kontakte, einfach Zeit: Man muss sich erst ein paar Mal streiten, damit man sich dann verstehen bzw. den Punkt des anderen nachvollziehen kann. Da hilft natürlich zuhören. Was ich jedoch auch wichtig finde, ist, dass wenn man es sich leisten kann, man ehrlich zu sich selbst ist und sich auch anderen (bei denen man das will) authentisch präsentiert. Es wäre einfach viel zu schade, wenn manche Meinungen, mögen sie noch so abwegig von irgendeiner Norm sein, nicht ausgesprochen werden, nur weil man denkt, dass es die Möglichkeit gäbe, dass man auf Widerstand stößt.

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