Donnerstag, 22. Juni 2017

Der Geist, der mich plagte

Jetzt wird's für den ein oder anderen vielleicht etwas surreal, aber so ist es tatsächlich gewesen. Erinnert ihr euch daran, wie ich erzählte, was der Ursprung meiner Depression sei? Das Mädchen, das nach der neunten Klasse die Schule wechselte? Danach ging's ja mit mir bergab und das Ganze wurde untermauert durch Wahnvorstellungen. Diese hielten länger als ein Jahr lang an. Das erste Jahr über, also die komplette zehnte Klasse lang, sah ich sie nur. Manchmal, tauchte eine Erscheinung von ihr einfach so auf. Und das war egal, wann das war. Ob ich nun in der Schule saß oder zu Hause und mit meinen Freunden CSGO gespielt habe - Sie stand dann einfach da, manchmal einfach hinter meinem Schreibstuhl, manchmal irgendwo auf dem Schulgelände, andere Male irgendwo in der Stadt. Es war so, als würde dauerhaft jemand über meine Schulter schauen. Anfangs beachtete ich das nicht wirklich, nahm es nicht wirklich wahr, aber es wurde mit der Zeit schlimmer und schlimmer. Meine Sehnsucht nach ihr wurde stärker und stärker. Dann hörte ich ihre Worte. Ihre Worte waren nie sehr gehaltvoll. Oftmals erinnerte ich mich an Momente, in denen ich sie reden hörte und die zur Situation passten, später aber wurden es eigene Sätze, die sich mein Unterbewusstsein ausdachte. Lange Zeit erzählte ich niemandem davon, weil ich nicht wollte, dass mich jemand für verrückt erklärt, aber irgendwann zerbrach ich komplett.

In den Sommerferien 2015 hatte ich meinen Tiefpunkt erreicht. Ich saß auf einer kleinen Erhöhung einer alten Scheune mitten in der Kleinstadt und da sah ich sie neben mir sitzen. Im Prinzip war sie immer noch nicht durchgängig da, doch war es so, als würde sie immer wieder aufblitzen. Ich führte ein Gespräch mit ihr. Ich redete mit ihr. Und in meinen Gedanken antwortete sie mir. Was habe ich da nur getan? Ich habe ... mit etwas geredet, was es nicht gab. Das ist komisch. Am Abend bemerkte ich selber, dass es vorbei ist mit mir. Dass ich vollkommen den Verstand verloren hatte. Ich hasste mich selbst nur umso mehr, als ich merkte, ich würde mit einem Geist reden.

Jedoch irgendwann wollte ich diesen Geist nicht mehr loswerden. Ich wollte, dass sie da ist. In meiner Nähe. Dass wenigstens einer in meiner Nähe ist. Ich fühlte mich einsam und zurückgelassen und da war sie meine letzte Stütze. Ich fing an, regelmäßig mit ihr zu reden. Über alles mögliche, was mir gerade in den Sinn kam. Ich kann nur nicht mehr sagen, wie es aufhörte. Irgendwann war es einfach weg. Dieses ewige Verlangen nach ihr. Wenn ich sie heute sehen würde, würde ich zwar ziemlich sicher direkt in Tränen ausbrechen, aber das Verlangen nach diesem Geist verschwand einfach so. Ich hatte angefangen, ein Manuskript für einen Film dazu zu schreiben. Vielleicht half mir das beim Verarbeiten der Situation. Auf Wattpad existiert eine als Kurzroman verpackte Version davon, die ihr erreicht, wenn ihr auf diesen Satz klingt.

Sehnsucht ist ein unglaublich mächtiges Gefühl. Das hätte ich so nie erwartet. Ein Geist, den ich sehe? Mit dem ich rede? Hölle, das klingt sogar jetzt noch verrückt für mich. Aber lasst euch eines gesagt sein: Auch wenn ich glaube, dass nicht viele so ein Problem haben, sollten die wenigen, die es haben, darüber reden. Und wenn ihr nicht mit anderen darüber reden wollt, dann doch vielleicht mit euch selbst? Verarbeitet eure Sehnsucht irgendwie. Ein Kurzfilm, eine Geschichte, ein Buch, ein Hörspiel, ein Theaterstück, ein Gemälde - Ganz egal, was ihr könnt, das hilft vielleicht. Ich kann für nichts garantieren - bin ja kein Therapeut - aber mir half es zumindest. Auch wenn ich diese Sehnsucht nach wie vor habe, habe ich zumindest das Kontrollieren gelernt.

1 Kommentar:

  1. Echt ein guter Rat mit dem Verarbeiten der "plagenden" Gedanken bzw. Vorstellungen. Ich muss manche Sachen auch erst mal in eine Geschichte verpacken, damit ich damit besser abschließen kann, auch wenn ich das nie bewusst gemacht habe. Besonders schön ist ja, wenn man nicht nur mit sich selber spricht, sondern wirklich am Ende ein Werk daraus fabriziert hat, dieses auch betrachtbar ist. Dies erlaubt einem nicht nur das zusätzliche reflektieren, über das was man geschrieben hat (da man es vielleicht, dann, wenn man es z.B. nieder geschrieben hat, weniger direkt mit sich selbst verbindet, sondern es eher wie ein Buch von einem anderen Autor wirkt), sondern man kann auch stolz darauf sein, so was angefertigt und fertiggestellt zu haben. Man hat was erreicht und das ist wirklich ein positives Gefühl.

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